In Paris wird ein Freier verhaftet. Die Anklage lautet: Kauf sexueller Handlungen. Später stellt sich heraus, die Prostituierte war eine 14-Jährige Rumänin, die von Menschenhändlern nach Frankreich verschleppt wurde. Das ist die Ausgangslage von FIXER, dem neuen Spielfilm von Adrian Sitaru. Es ist ein Thriller über Journalisten in Rumänien, denen jedes Mittel recht ist für eine verkaufsträchtige Story.

FIXER beginnt in Temeswar, einer rumänischen Grenzstadt nahe Ungarn. Ein junger Mann sitzt im Zollbüro des Flughafens. Sein Name ist Radu, er arbeitet für die Auslandsredaktion eines französischen Fernsehsenders in Bukarest als „Fixer“. Das heißt, er unterstützt ausländische Journalisten vor Ort. Ein Job am unteren Ende der journalistischen Nahrungskette. Anca, so heißt die 14-jährige Zwangsprostituierte, sitzt in einem Flugzeug, das in wenigen Minuten in Temeswar landet. Darum ist Radu hier. Noch bevor Anca den Flughafen verlässt, will er ein Interview mit ihr führen. Die Kamera steht schon bereit.

Adrian Sitaru ist einer dieser Regisseure, die hinter den Stars des rumänischen Autorenkinos verblassen – also Filmemachern, wie Christian Mungiu, Cristi Puiu und Corneliu Porumboiu, deren Filme regelmäßig auf großen Filmfestivals ausgezeichnet werden. Es mag daran liegen, dass Sitarus andere Filme zwar in Rumänien spielen, aber nicht von dem Land erzählen. ILEGITIM, den er letztes Jahr gedreht hat, handelt von Zwillingen, die sich so lieben, als ob sie ein Pärchen wären. Der Film hätte auch in Deutschland spielen können, geändert hätte es fast nichts. Und es mag daran liegen, dass Sitarus Filme keine einheitliche Filmsprache sprechen. So ist sein Debüt HOOKED ein Formexperiment, das ausschließlich aus der Ich-Perspektive gefilmt ist. Die Kamera simuliert die Augen der Figuren. Was sie anschauen, ist auch auf der Leinwand zu sehen. FIXER hingegen ist ein Thriller, der wie ein Hollywoodfilm geschnitten ist.

Darum ist es unwahrscheinlich, dass Sitaru jemals in der Oberliga des rumänischen Autorenfilms spielen wird. Seine Filme passen nicht in das Bild, das das westliche Arthousepublikum von diesem Kino hat. Ohne Plansequenzen, kalte Farben und Ceaușescu-Referenzen haben rumänische Produktionen fast keine Chance einen Verleih in Westeuropa zu finden. Und selbst die Filme, die solche Kriterien erfüllen, haben selten fünfstellige Zuschauerzahlen. Das rumänische Kino ist von den großen und kleinen Filmfestivals abhängig. Hier werden Preise gewonnen, hier treffen sich Produzenten und Filmemacher und ganz banal: Hier werden die Filme gesehen. In Rumänien selbst gibt es fast 20 Millionen Einwohner, aber weniger als 80 Kinos. Dort laufen vor allem Blockbuster aus den USA.

FIXER wird es wohl schwer haben auf dem europäischen Markt zu bestehen. Der Film sieht zu sehr nach Thriller aus, um als Arthouse durchzugehen. Ein Genrefilm ist FIXER trotzdem nicht. Dafür erzählt er seine Geschichte zu langsam. An einer Stelle trifft Radu einen Kriminalpolizisten in einem Restaurant. Er hofft, über ihn an Anca zu gelangen. Die Szene dauert fast fünf Minuten. In dieser Zeit passiert überhaupt nichts, was die Handlung vorantreibt. Die beiden trinken Wein, reißen Witze und plaudern über Alltägliches. Wie in so vielen rumänischen Filmen, wird hier ein Stimmungsbild gezeichnet. Eine Pause, die es so vermutlich in keiner Hollywoodproduktion geben würde. Aber genau dieser Ruhemoment steigert den Sog der Geschichte, und zwar gerade weil er dramaturgisch bedeutungslos ist. So scheint Radus Figur anfangs eindimensional gezeichnet zu sein, in der Restaurantszene aber verhält er sich mitnichten wie ein solches Klischee. Sondern wie ein Mensch. Das ist einer dieser Kinomomente, in denen vergessen ist, dass die Figuren nur Projektionen auf einer weißen Leinwand sind. Sie werden greifbar, verstehbar und lebendig. Hierzulande werden dies wohl weniger als 1000 Besucher sehen.

von Lennardt Loß

Gesehen beim 17. GoEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films  als Teil des Wettbewerbprogrammes.