Das Filmprogramm „Falling into pieces, falling into place“ beim 29. European Media Art Festival (EMAF) in Osnabrück war nicht nur vielfältig und spannend kuratiert, sondern beinhaltete, wie sich herausstellen sollte, auch einen der diesjährigen Preisträgerfilme: WOMAN WITHOUT MANDOLIN von Fabiano Mixo, Preis des Verbands der Deutschen Filmkritik.

Fabiano Mixo schafft in seinem Vierminüter, uns mit seinem Porträt der Schauspielerin Miriam Goldschmidt in den Dialog der Formen zu ziehen. An das kubistische Gemälde GIRL WITH MANDOLIN (1910) von Pablo Picasso angelehnt, werden wir Teil eines beinahe spirituellen Moments, in dem die gefilmte Person das Publikum mit ihrem Blick geradezu bannt.

Die sensible Abstimmung aus Experimental- und experimentellen Dokumentarfilmen innerhalb des Programms beinhaltete beinahe alles, was Kurzfilme derzeit leisten könnten. Meredith Lackey beispielsweise begibt sich in IRON CORIDOR mit ihrer 16-mm-Kamera ins Innere eines Fallschirmsimulators, wodurch das Aufgezeichnete durch den Verzicht der Invertierung einen surrenden Charakter erhält. Zeit und Ort scheinen nicht greifbar zu sein, sondern verlieren sich mit den ProtagonistInnen in einer fantastisch-realen Blase.

Ganz ohne Menschen und beschränkt auf eine exakte Zeit und einen fokussierten Ort, beschreibt Kassimir Terziev auf ironische Weise das Dilemma, in dem wir uns heute durch ständige Überwachung befinden. In BETWEEN FLASHBACK AND DÉJÀ-VU befinden sich eine Drohne und eine Stativkamera in gegenseitiger Überwachung. Die harten Schnitte, die später immer mehr im Stakkato erfolgen, erzeugen dadurch einen aggressiven Beat.

AN TON KAUN porträtiert hingegen einen Noise- und Videokünstler, der sich in seinen performativen Auftritten an die Grenzen seines eigenen Körpers bringt. Susanne Steinmassl begleitet den Künstler durch den Wald und filmt ihn beim Arbeiten. Sie zeigte ihren experimentellen Dokumentarfilm, den sie auf 16 mm drehte, erstmals 2015 auf den Kurzfilmtagen in Oberhausen. Den Prozess von Anton Kauns Schaffens hat Steinmassl in eine Filmsprache übersetzt, die mit übereinander gelagerten Tonspuren und found footage aus Kauns reichhaltigen Archiven funktioniert.

Beinahe heimlich fügt sich TOSSE NOT MY SOUL von Sebastian Buerkner in das Programm. Bedächtig und bunt, glänzend und sphärisch klingen die Bilder und Töne einer Stadt durch den Kinosaal. Tänzerisch performt das Stadtleben in dem auf realen Bildern basierenden Animationsfilm drei Lieder des Komponisten John Dowland aus dem 16. Jahrhundert.

Danach begibt sich Caolina Hellsgård auf den Rücken von Rennpferden und auf Tuchfühlung mit den weiblichen Jockeys einer Trabrennbahn – oder doch zumindest ihre GoPro-Kamera. In Zeitlupe nehmen wir jedes Detail des rasend schnellen Ereignisses wahr. Die vereinigenden Bewegungen von Pferd und Reiterin, das Fliegen der Kieselsteine, der Sonnenuntergang auf der Rennbahn, der Atem des Tieres, die in Spannung gebeugten Körper der Jockeys. In THUNDER IN MY HEART werden wir mitgerissen von der Schönheit und der Faszination bewegter Körper – menschlicher und tierischer.

Zum Schluss der Programms begeben wir uns mit THE INTERIOR erneut in eine Welt der Tiere. Am entlegene Schauplatz des Films in Alaska leben vier Menschen mit 56 Schlittenhunden – oder umgekehrt. Jonathan Rattner begibt sich mitten unter sie, wird selbst zum Mitbewohner, auf Augenhöhe mit den Tieren, solange bis die Fahrt beginnt, und der Wind um den Kopf der sogenannten „Mushers“ rauscht. Ihr Tagesablauf dreht sich allein um die Pflege und die Aufzucht der Tiere. Dafür bleiben den MitarbeiterInnen der Station jedoch nur fünf Stunden Tageslicht. Die Einsamkeit, die die Landschaft auf ihre Bewohner stülpt, spüren wir in den fehlenden Gesprächen. Einzig die Kommunikation der Hunde uns das Gesumme von amerikanischen Popsongs des Chef-Mushers brechen die schneidende Stille. Eine gelungene Beobachtung einer Parallelwelt, die trotz der extremen Bedingungen von einer außerordentlichen Lebensfreude erzählt.

Franziska Wank

Gesehen beim 29. European Media Art Festival.