Seit fast 100 Jahren fördern Bergleute wertvolle Metalle aus den Böden der kanadischen Kleinstadt Val-d´Or, was wörtlich „Goldtal“ bedeutet. Generationen von Minenarbeiterfamilien halten bis heute an ihren Wurzeln fest– und auch die im Goldtal aufgewachsene Regisseurin Sophie Dupuis nutzt ihre eigenen Wurzeln als Inspiration für das Drama „Souterrain“.

Maxime arbeitet wie die meisten Stadtbewohner in den unterirdischen Minen von Val-d´Or. Durch die jahrelange Schichtarbeit in den düsteren Stollen sind die Minenarbeiter zu einer eigenen, kleinen Familie zusammengewachsen, die Freud und Leid miteinander teilen. Doch Maxime belastet nicht nur seine zurückgelassene schwangere Frau, sondern auch der von ihm verschuldete Unfall seines Freundes Julien und die schwerwiegenden Folgen lassen ihn nicht ruhig schlafen. Als im Untergrund einige seiner Kumpel durch eine Explosion in Gefahr geraten, versucht Maxime sie um jeden Preis zu retten.

Der Bergbau zählt seit jeher zu den menschenfeindlichsten Berufsfeldern. Zwar arbeiten die Bergleute inzwischen mit Sicherheitsausrüstung, modernen Bohrmaschinen und automatischen Belüftungssystemen in den Stollen, doch die kilometertiefen Gänge im Gestein bergen weiterhin tödliche Gefahren für Körper und Psyche. Die frankokanadische Filmemacherin Sophie Dupuis nimmt sich nach dem Drogendrama „Chien de garde“ erneut der Gefühlswelt traumatisierter Männer und den Folgen für ihre Familien an. Mit Maxime (Joakim Robillard) präsentiert sie einen jungen Mann als Protagonisten, der wie bereits unzählige vor ihm den Übergang vom sorglosen Zechkumpanen zum verantwortungsbewussten Familienvater meistern muss. Doch private Rückschläge sowie seine selbstauferlegten Bußbesuche bei seinem Freund und ehemaligen Arbeitskollegen Julien (Théodore Pellerin) machen Max schwer zu schaffen – ebenso wie Juliens Vater, der zudem noch Maximes Vorgesetzter ist und ihm bis heute die schwerwiegenden Unfallfolgen für seinen Sohn und die daraus resultierende Schmach für seine Familie nicht verzeihen kann.

Dupuis verwebt schwerwiegende Schicksalsschläge geschickt mit beruflicher Identität und schafft so ein Emotionsgeflecht fragiler Männlichkeit, die zwischen feuchtfröhlicher Ausgelassenheit und aggressiver Aussichtslosigkeit zu zerbrechen droht. Hierbei räumt sie Maxime keine Sonderstellung ein, sondern deutet Erfahrungsparallelen zu seinen teils älteren Kollegen und somit ein generationsübergreifendes Trauma an, das sich hinter einer wackeligen Fassade aus Bierdosen und anzüglichen Witzen versteckt. Die hoffnungsvoll sonnig ausgeleuchteten Busfahrten beim Schichtwechsel büßen mit zunehmender Laufzeit ihre kontrastierende Wirkung ein, wodurch die tief verankerte Belastung der Minenarbeiter buchstäblich an die Oberfläche dringt. Maxime offenbart im Umgang mit dieser Belastung jedoch die Hoffnung, durch die Aufarbeitung und Akzeptanz aus diesem Generationentrauma auszubrechen – im krassen Gegensatz zu Juliens Vater, der sinnbildlich für eine vergangene Gesellschaftsform steht, in der Status und öffentliche Anerkennung über allem standen und Abweichungen von der Norm einer sozialen Ächtung gleich kamen.

Erzählerisch setzt die Regisseurin im letzten Drittel zwar auf einen erwartbaren Minenunfall, inszeniert diesen jedoch ohne großen Bombast und liefert dank Kameramann Mathieu Laverdière eindringliche Bilder im Halbdunkeln, die durch seine erbarmungslos ruhige und unnachgiebige Hand die tiefsitzende Furcht in den Augen der Bergleute entlarven. Sophie Dupuis führt die Geschichte kompromisslos zu Ende und zyklisch zum Filmbeginn zurück, zeigt jedoch auch einen schimmernden Ausweg am Ende des düsteren Stollens auf – weg von den Wurzeln.

Reviewed by: Steffen Buchmann