Vernebelung und Vergessen gehen ganz schnell im Filmdebüt Tereza Nvotovás. Einmal ruhig durchatmen und runterzählen – 1,2,3,4. Doch holt einen die Vergangenheit nicht trotzdem irgendwann wieder ein?
Bittersüß schmeckt der Übergang zur Adoleszenz und schmutzige Erinnerungen treiben in ein verzweifeltes Verstummen. Doch wie weit kann und darf ein Schweigen gehen, und was bringt es damit zu brechen?

Die Hauptprotagonistin Lena steckt mit ihren 17 Jahren gerade im Prozess des Erwachsenwerdens, doch ihre Welt bekommt einen starken Riss, als sie in vertrauter Umgebung vergewaltigt wird. Ihr Schweigen stürzt sie in eine Depression. Aus ihrer Verzweiflung heraus startet sie einen Suizidversuch. Da sie weiterhin darüber schweigt, was der Auslöser dafür war, bringt die Mutter Lena in eine psychiatrische Anstalt. Doch die Folgen der Einweisung sind gravierender. Denn wie ist das Leben, in dem man medikamentös zur geistigen Abstumpfung gezüchtet wird? Und was passiert, wenn man sich gegen ein weiteres Schweigen entscheidet und laut ausspricht, dass man Opfer einer Vergewaltigung wurde?

Letztlich muss sich die Hauptfigur mit den Erinnerungen ihrer Vergewaltigung auseinandersetzen. Sie wird von ihrem Umfeld mit Fragen konfrontiert, die das Abbild einer Gesellschaft zeichnen, die sich überfordert zeigt, mit einem Tabuthema wie Vergewaltigung umzugehen. „Wurdest du wirklich vergewaltigt?“, fragt die beste Freundin. Auch die Frage warum sie nicht geschrien habe, stößt die Protagonistin für kurzzeitig in einen verwirrten Moment der vermeindlichen Selbstverschuldung. „Bin ich Schuld daran, weil ich nicht geschrien habe“? Und wie soll die Tat bewiesen werden, vor allem, wenn man voller Scham diese nur aus dem Gedächtnis streichen möchte?

In dem tschechischen Coming-of-Age-Drama von Tereza Nvotová werden gleich zwei Tabuthemen angesprochen: der Umgang mit Vergewaltigung und der Umgang mit Patienten und Patientinnen in einer psychiatrischen Anstalt.

FILTHY behandelt diese Themen sehr präzise anhand der Biografie einer jungen Frau am Rande des Erwachsenwerdens. Der Film verhandelt gesellschaftliche Vorstellungen von Vergewaltigungen, und vom Verhalten von Tätern und Opfern . Er verhandelt Erwartungshaltungen, Problematiken und Fragen und tut dies konkret und ehrlich.
Tereza Nvotovás Film stellt noch ein zweites Tabuthema auf: medikamentöse Therapien in einer psychiatrischen Klinik – ein Thema, das von der Filmemacherin zu kritisiert werden scheint. Wann wird man als krank angesehen und wann wieder als gesund? Der leichtfertige Umgang mit Medikamenten und Schocktherapien wirft einen Schatten auf das slovakische Gesundheitssystem. Einmal im psychiatrischen System gewesen, gelingt es kaum mehr, aus diesem Raum wieder rauszukommen, scheint uns der Film zu sagen – ein Film der durch und durch emotional bewegt.

von Britta Rotsch

ŠPINA (FILTHY) lief beim 17. GoEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films im Wettbewerb.