Es ist weder ein Film über, noch mit dem Menschen als Protagonisten. Es ist ein Film über einen Ort, der dem Menschen fremd geworden und dessen Teil er nicht mehr ist. Es ist ein Film über die Flora und Fauna jahrtausendalter Waldgebiete Litauens. Eine filmische Ode an den baltischen Wald als ursprünglichen Lebensraum für eine Vielzahl von Spezies tierischer und pflanzlicher Natur und als mystischer Ort der Fantasie.

Während die Biodiversität der Tierwelt für die Menschen in industrialisierten Gebieten der Erde langsam in Vergessenheit zu drohen gerät, wird sie vom Biologen und Filmemacher Mindaugas Survila in faszinierenden, sinnlichen und hochauflösenden Kamerabildern eingefangen und als nahezu unberührte Natur in seinem Dokumentarfilm „The Ancient Woods“ wieder sichtbar gemacht.

Der Zuschauer wird auf eine scheinbar endlose Reise in die entlegensten Teile und Tiefen des Waldes genommen und beobachtet als stiller Voyeur die animalischen Waldbewohner aus den Höhen der Baumwipfeln bis ins Innere des Dickichts und durchläuft mit ihnen die Jahres- und Tageszeiten. Die Vielfalt und Variabilität an Kameraperspektiven ermöglichen das vollständige Eintauchen in dieses interessante Ökosystem, in dem die Tiere die Rolle der Protagonisten einnehmen. So wechselt der Blick von Details der Federpracht eines Auerhahns zur Totalen eines über ihren Bau wachenden Dachspaares, vom mikroskopisch genauen Schmelzen der Eiskristalle zum undurchsichtigen Insektentanz in luftiger Höhe.
Der Film vertraut auf die Potenz seiner Bilder und verzichtet auf eine Erzählinstanz wie den für Naturdokumentationen üblichen Voice-Over-Kommentar.

Diese Abstinenz öffnet assoziative Freiräume für den Zuschauer, der sich von den magischen Naturphänomenen einfangen lassen kann ohne dabei gezielt in seinem Sehen und Denken geführt zu werden. Mit Verzicht auf dieses Stilmittel gelingt es dem Film einen subjektiven Standpunkt für den Zuschauer zu schaffen, der nur über die Montage dazu verführt wird Verknüpfungen zwischen den einzelnen Einstellungen und Blicken der tierischen Protagonisten herzustellen. Durch dieses Sehen lassen sich im kommentarlosen Porträt der unterschiedlichen Tierarten Ähnlichkeiten in ihren Verhaltensweisen ausfindig machen – seien es gegenseitige Kommunikationsversuche, leidenschaftliche Überlebenskämpfe, eindrucksvolles Ringen um Aufmerksamkeit oder gar zärtliche Liebkosungen. Es scheint als ähnelt sich jede Art trotz größter Unterschiedlichkeit.

Auch auditiv stehen Flora und Fauna im Fokus des Filmes, sodass der Sound nur aus den Originaltönen der Natur besteht. Die samte Klangkulisse aus raschelnden Blättern, knarzenden Baumwipfeln und akzentuierten Tiergeräuschen ersetzen eine instrumentale Filmmusik, sodass das genuine Ambiente des Waldes und sein permanentes Tönen intensiv für den Zuschauer erfahrbar werden. Es scheint als verstumme die Natur nie. Und doch wird sie in vielen Teilen der Erde nicht gehört. Auch wenn der Film Themen der Rodung oder der Klimaerwärmung ausspart, zeigt er mit der Abbildung natürlicher Vielfalt was der Mensch haben könnte, wenn er Mutter Natur gewähren lassen würde. THE ANCIENT WOODS erweckt das Gefühl die noch bestehende Schönheit der Wälder beschützen zu wollen.

von Sophie Spallinger

THE ANCIENT WOODS läuft im Wettbewerb des 18. GoEast-Festivals in Wiesbaden.
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