Ein Aggregat ist eine Einheit von mehreren zusammenwirkenden Maschinen oder Geräten. Der Titel ist ein früher Hinweis auf den roten Faden dieses Dokumentarfilms, der ohne jeden Off-Text auskommt und allein über die Zusammenstellung verschiedener Situationen aus den Jahren 2016 und 2017 seine Aussage trifft. Die Situationen sind oft Arbeitssituationen und Begegnungen, herausgegriffen aus den Bereichen Bundestag, politisches Engagement der deutschen Bevölkerung und dem Journalismus, der darüber berichtet.

Die Begegnungen sind vielfältig und eine Bedeutung erschließt sich oft erst im Kontext: Eine Gruppe Tourist_innen spielt bereitwillig im Bundestag eine Abstimmung über ein Gesetz zur Buttermenge im Butterstollen nach.
Wir lernen Politiker_innen zu verstehen, die sich mit Hilfe eines Coaches gegen rechte Aggression wappnen. In einem Seminarraum mit dünn gepolsterten Möbeln laufen sie schwungvoll aufeinander zu und gebieten sich gegenseitig anzuhalten.
Wir sehen Menschen, die ein Bürgerforum in Sachsen nutzen, einen Dialog mit den anwesenden SPD-Politiker_innen anzustrengen und die sich dabei zeigen, die mitdenken und von Perspektivlosigkeit berichten, die ihr Ventil sucht. Die erlernten Strategien der Politiker_innen greifen: Es wird etwas gesächselt, zugestimmt, ernst genommen und keine Lösung in Aussicht gestellt.
Bildredakteure freuen sich über ein lustiges Foto von einem Tier, das es auf die Titelseite schaffen könnte.
Eine andere Redakteurin erklärt ihrer Kollegin, welchen Alters und Geschlechts die Person sein soll, die zu dem ihnen vorliegenden Beitrag noch eine Expertise liefern soll.

AGGREGAT zwingt zum Zuhören und genauem Hinsehen. Unaufgeregt gibt der Film auch denen das Wort, die sonst im AfD-Lärm untergehen und um eine Auseinandersetzung bemüht sind. Es geht um den Druck von Rechts und die Strategien, die Politik und Medien zur Verfügung stehen, um dagegen vorzugehen, beziehungsweise sich dem zu bedienen.

Visuell wird mir kalt, in der Leere der Veranstaltungsräume, in den Spiegelflächen des Bundestags, im Regen durch den wütende Demonstrant_innen laufen. Auf der Suche nach einem Hoffnungsschimmer, z.B. in den Werkzeugen, die den Journalist_innen zur Verfügung stehen, muss ich mich mit wenig zufrieden geben.

Wenn dann schlussendlich der Mann, der schon zu Anfangs die Touristenherde durch den Bundestag führte, lapidar über die Parlamentarische Demokratie sagt: „…wenn der Motor muckert, dann repariert man den Motor und wirft aber nicht das Auto weg“, dann frage ich mich:
– Echt jetzt?

von Sarah Paar