Ich habe viel geopfert, um diese Kritik zu schreiben. Nein, meine Familie habe ich dadurch nicht zerrüttet, angeklagt wurde ich nicht und ich kann mich, soweit ich weiß, auch noch an jede einzelne Sekunde erinnern, die ich in Gegenwart eines Maultiers verbracht habe. Das alles hat jedoch der etwas unbeholfene To Wai-Cheoung durchgemacht, um sein Projekt, seinen Traum, seinen Film schließlich auf die Leinwand zu bringen.

Pang Ho-cheungs lebhafte Komödie VULGARIA beginnt in einem Vorlesungssaal voller Studenten. Hier soll To Wai-Cheoung über das Berufsbild eines Produzenten referieren. Prompt vergleicht er es mit Schamhaar. Mit Fluffigem, lockigem Schamhaar nämlich, das beim Sex den Schmerz bei der Reibung verhindert. Ja, ein Produzent steht immer zwischen den Fronten und hat es dabei nicht sehr bequem. Beim Sponsoren-Recruiting trifft er auf Brother Tyrannosaurus, einen fleischfressenden Exzentriker mit sehr speziellen Vorlieben, aber auch unerträglich viel Geld. In den Film will er auch nur dann investieren, wenn er die feuchten Jugendträume wieder aufleben lassen kann, die beim Sehen von “Confessions of a Concubine“ aufkamen.

Na gut. Nach einer sagenumwobenen Nacht verspricht unser Protagonist dann eben “Confessions of Two Concubines“ zu drehen, die um Jahrzehnte verspätete Fortsetzung.

Ganz recht, auch in China weiß man, dass ein alkoholdurchtränkter Abend mit Filmriss à la HANGOVER ein absolutes Erfolgsrezept ist. Deftige Sprache, anzügliche Witze und der ein oder andere Vierbeiner unter den Nebenfiguren runden das Ganze ab. Was für Las Vegas ausreichen mag, bekommt in Hong Kong jedoch noch eine weitere, ironisch gut durchdachte Dimension. Der Produzent muss sich nicht nur mit einem deftigen Kater, sondern auch mit Hürden wie mehr oder weniger subtilem Product-Placement und sich zierenden Schauspielern befassen. Es geht hier um Hochglanzprostitution, und zwar um die Frage, wie sehr sich ein Film für seine Sponsoren prostituiert.

Auch auf der Leinwand kann die vierte Wand Risse bekommen. Noch im Vorspann springt eine grelle Warnung den Zuschauer an: Wer sich an Obszönitäten, dargestellten Sexpraktiken, Flüchen oder gebrochenen Tabus stört, hat noch genau zehn Sekunden um den Saal zu verlassen, danach geht es dann los mit dem neonfarbenen Filmspektakel.

Satire, habe ich mir im dunklen Kinosaal auf mit meinem Pelikan-Kugelschreiber notiert und drei mal unterstrichen. Mit meinem großartigen Pelikan-Kugelschreiber. Eigentlich sollten bei den Notizen eines Kritikers nur noch Pelikan-Kugelschreiber über das Papier tanzen. Meinen Pelikan- Kugelschreiber habe ich schon seit Jahren, ich kann ihn nur weiterempfehlen, denn – ach! – ohne ihn hätte ich niemals den Schlaghagel der Seitenhiebe bewundern können, mit dem hier mit der Filmindustrie abgerechnet wird. Manche dieser Schläge sind gewiss nur Tam-tam, ein Donnern für die richtige Lautuntermalung, manche treffen aber auch so richtig ins Schwarze.

To Wai-Cheoungs Filme sind keine, von denen seine kleine Tochter Jacqueline je etwas gehört hat. Zum Glück! Es sind vielleicht nicht B, vielleicht sogar nicht einmal C, sondern D-movies. Doppel-D-Movies und sein neuer Star heißt Popping Candy und ist nicht unverdient zu diesem Namen gekommen. Neben ihrer zweifelhaften Karriereoptionen und wenn sie gerade nicht vor der Kamera steht, ist sie dann aber doch eine warmherzige und innovative junge Frau, die To Wai-Cheoung seine Freundin und die kleine Jacqueline ihre große Schwester nennt. Letztendlich, und das wird hier deutlich, ist es auch unserem unbeholfenen Produzenten fast ganz egal was aus seinem Film wird, sobald er einmal soweit ist, vom Regisseur übernommen zu werden und vor allen Dingen, solange er diese beiden jungen Damen an der Hand halten kann.

Wenn er dann verschmitzt in die Kamera lächelt, lächelt man gerne mit und es ist kein lautes Aufgackern, über allzu plakative Obszönitäten.

Um diese Kritik zu schreiben, habe ich viel geopfert. Das unbefangene Gefühl, im Zoo ein Maultier zu streicheln, meinen Vorsatz in solch einem Text niemals so absolute Adjektive wie “großartig“ und “unerträglich“ zu verwenden und meine neue, helle Sommerhose. Auf die habe ich mir nämlich versehentlich mit meinem Pelikan-Kugelschreiber gemalt, als ich bei diesem einen, diesem einen Moment dann doch ganz unkontrollierbar kichern musste.