1000 Meter nackter Fels im Yosemite Nationalpark in Kalifornien. Gewaltig ragen die fast senkrechten Granitmassen des berühmt-berüchtigten „El Capitan“ in den Himmel, die zugleich erschrecken, aber auch auf besondere Weise anziehend auf Bergsteiger wirken.

Der junge Amerikaner Alex Honnold hat es sich zur Aufgabe gemacht, der erste Freeclimber der Welt zu werden, der den „Kapitän“ bezwingt. Nur bewaffnet mit seinem bloßen Körper und mit Kletter-Chalk, will er sich dieser Herausforderung stellen, die ihn das Leben kosten könnte, da keinerlei Sicherheitsvorkehrungen bestehen.

„Free Solo“ ist vor allem eine Charakterstudie eines Extremsportlers und Perfektionisten, der bereit ist, für seine Leidenschaft alles aufs Spiel zu setzen und sich dabei von nichts abbringen zu lassen. Die schwerwiegenden psychologischen Auswirkungen, die sein Handeln auf sein soziales Umfeld haben, scheinen ihm gar nicht so richtig bewusst zu sein. Wenn Freundin oder Familie besorgt auf sein Vorhaben reagieren, so speist er die Kommentare ganz einfach damit ab, dass man sowieso jeden Tag der Gefahr ausgesetzt sei, zu sterben.

Schnell wird klar: es gibt in Alex’ Leben nichts Wichtigeres als das Klettern. So beleuchtet der Film den achtjährigen Kampf hin zum Erklimmen des Capitan, mit all den Übungen, Verletzungen, Abstürzen, Diskussionen und Zweifeln. Eine Kämpfernatur wie Alex lässt sich von Rückschlägen und Fehlversuchen jedoch nicht aufhalten.

Die Durchsteigung der Steilwand stellt aber nicht nur für Alex eine große Herausforderung dar, sondern genauso auch für das Regie-Duo Jimmy Chin und Elizabeth Chai Vasarhelyi. Diese sehen sich ständig während der Produktion mit moralischen Fragen konfrontiert. Inwieweit ist es vertretbar, einen Menschen bei einer so lebensgefährlichen Aktion zu unterstützen? Wie könnte man damit leben, wenn ein Freund stirbt, und man selbst vielleicht durch ein Missgeschick dafür verantwortlich ist?

Der Film schafft es so, Alex nicht ausschließlich als einen Helden zu feiern, der gerade einen Weltrekord aufgestellt hat, sondern zeigt vielmehr, was bei so einer Aktion auf dem Spiel steht, und welche Folgen so ein Vorhaben auf Mitmenschen und sich selbst haben kann.

Jedoch stürzen Storytelling und Rhythmus bei Free Solo leider manchmal ab. Die gezeigten Elemente aus Alex’ Leben wiederholen sich an manchen Stellen einfach zu oft, oder werden nicht innovativ genug erzählt, sodass der Zuschauer über die Lauflänge des Films hinweg nicht bei der Stange gehalten werden kann. Die tatsächliche Besteigung des Berges, die solange aufgebaut wird, fällt leider etwas kurz aus und lässt einen ernüchtert zurück.

Am Ende bleibt ein Porträt einer beeindruckenden Person, die sich etwas in den Kopf gesetzt hat und dies nicht wieder loslassen wird. Atemberaubende Kameraaufnahmen aus schwindelerregenden Höhen erzeugen ein Gefühl, als würde man selbst dort oben mit Alex am Fels hängen. Die erzählerischen Schwächen tun der außergewöhnlichen Erfahrung des Films aber keinen großen Abbruch.