SELBSTKRITIK EINES BÜRGERLICHEN HUNDES folgen wir dem Regisseur Julian (Julian Radlmaier). Er ist ein junger, ambitionierter und politisch motivierter Filmemacher, der mit seiner Form von Kunst die Welt verbessern möchte. Allerdings gelingt ihm dies zunächst nur in der Theorie. Da er nämlich keinerlei finanzielle Rücklagen besitzt und selber von Hartz-IV lebt, zwingt ihn das Arbeitsamt, eine Arbeit als Erntehelfer auf einer Apfelplantage anzunehmen. Um jedoch dieser Blamage, den wertenden Blicken und gerümpften Nasen seiner studierten Bekannten, die sich regelmäßig zum Austernessen bei ihrem angesehenen Universitätsprofessor treffen, zu entgehen, konfrontiert er diese mit der dahingestammelten Ausrede der nötigen Recherche für sein nächstes kommunistisch geprägtes Filmprojekt. Begleitet wird er dabei von der jungen Frau Camille, die er durch seine Darstellung als kommunistischer Filmemacher dazu bewegt, mit ihm zu gehen. Von da an beginnt die Kehrtwende von intellektuell eitlen Gesprächen, schicken Austernpartys und beschaulichen Museumsbesuchen zum gehetzten und ausbeuterischen Alltag auf der Apfelplantage. Dort regiert Frau Gottfried, das Äpfelpflücken im Akkord als einen Wettbewerb inszeniert, der das Arbeiterkollektiv immer wieder zu spalten droht. Als dann noch ein Mönch mit Franz-von-Assisi-Ethos Teile der Gruppe nach Italien führt, um die politischen Botschaften von Vögeln zu erfahren, bricht das System endgültig zusammen.

Radlmaiers Film SELBSTKRITIK EINES BÜRGERLICHEN HUNDES handelt von politischen Machtverhältnissen, starren Grenzen und deren revolutionierende Überschreitung. Radlmaier setzt dabei auf ausgeprägte Bildkompositionen im 4:3 Format. Einer Diashow ähnelnd, präsentiert er seine Bilder im festen Rahmen einer sich nie bewegenden Kamera und vermittelt so den Eindruck vom Besuch einer politisch angehauchten Vernissage, in der der freie Wille nicht existent zu sein scheint. Die Schauspielenden agieren im Vordergrund dutzender Gemälde, von denen eine sterile und emotionslose Note ausgeht, die für gezwungene Stille sorgt und auf diese Weise das unterschwellig brennende Politfeuer weiter entfacht.
Insgesamt handelt es sich um einen intelligenten komödiantischen Kunstfilm, der durch seine inszenatorische Radikalität brilliert und eine Reise fernab des filmischen Einheitsbreis ermöglicht.

von Max Tyrai

Gesehen beim 10. LICHTER Filmfest Frankfurt International als Teil der neuen Reihe „Zukunft deutscher Film“.
Bundesstart am 08. Juni 2017 in knapp 30 deutschen Städten. In Frankfurt zu sehen im Mal Seh’n Kino.