…ähm, Moment. Was wollte ich denn überhaupt nochmal?

Es wäre schön, einfach mal spontan in den Supermarkt der Lebensentscheidungen hineinzuspazieren. Frei von jeglichen vom Festhalten in der Hand geknüllten Lebenseinkaufslisten. Keine präfabrizierten, von der Firma Üblich & Erwartungsmann en gros angebotenen Zettel. Und einfach mal die aus den Lautsprechern ertönende, Senf gebende Senfonie der nicht übelwollenden, aber dennoch anmaßend angehauchten bekannten Stimmen ausschalten. Familie, Kollegen, Freunde, der eigene Partner:  Ihr seid doch bestimmt bald zu dritt, oder? Wie oft schlaft ihr miteinander? Mach das mal mit Südkorea!

So hat Charlie (Victoria Schulz) einfach vergessen, was sie eigentlich will. Ihr mütterliches Potential, dass sie mom material ist, wird in ihrer liebevollen Betreuung der zunehmend gesundheitlich angegriffenen Oma (Angelika Waller) fein angedeutet, durch ihren Umgang mit den Kindern in ihrem Beruf als Lehrerin, durch das Aufpassen auf das Baby ihrer Schwägerin. Sogar die Katze ihrer Oma kriegt ein Stück Sorgfaltkuchen. Aber offensichtlich will Charlie keine eigenen Kinder. Sie nimmt heimlich die Pille, und ihr Freund Marco (Aleksandar Radenković), mit dem sie fünf Jahre zusammen ist, wird konsequenterweise eine bittere Pille schlucken müssen. Seine Begeisterung über ihren Eisprung ist eher ein Neinsprung für sie.

Es ist keine aggressive, fett geschriebene Schrift, mit der Charlie in RÜCKENWIND VON VORN ihr Leben mit kleinen Fragezeichen versieht. Aber sie sind da. Subtil sehnsüchtig verfolgt sie in der U-Bahn mit den Augen die ausgehenden, lachenden Frauen mit Flaschen in den Händen. Ihr entgeht nicht, dass ihre Freundin (Amelie Kiefer) ihren Pass in Asien richtig schön bestempeln lässt und ihr Kollege Gerry (Daniel Zillmann) eine Balkanreise mit einem Wohnwagen vorhat.

Eigentlich hat in der Beziehung keiner mehr (Un)Recht – jedoch ist das Absehbare nicht nach Charlies Geschmack. Charlie ist Team Südkorea, Marco Team Wohnsparen. Charlie will tanzen, Marco hat Sodbrennen. Dann feiert sie (ein bisschen zu viel) mit ihrem Kollegen und übergibt sich bei der Übergabe an ihren Freund – ironischerweise wie ein Baby – auf seine tanzverweigernde Schulter. Vielleicht passt Gerrys im Vergleich zu Marco spontanere Art, wie er über den Tellerrand schaut, besser zu Charlie?

 

Immerhin, Regisseur Philip Eichholtz lädt mit seinem dritten Film „Rückenwind von vorn“ zu einem lebenskulinarischen Ausbrechen ein. Und wenn es nicht schmeckt, kann man es immer mit einem Schluck Wein (oder ein paar mehr) runterspülen – und rettende Dönerkioske gibt es, glücklicherweise, auch.

von

Ivana Mitrić