Eine Frau, in billigem Leder gekleidet, als sei sie auf dem Weg zu einer SM-Party, fotografiert einen Mord, der in der Öffentlichkeit eines Marktplatzes stattfindet. Wir befinden uns in Folge zwei der Webserie NUMBER OF SILENCE, die eine Mischung aus Thriller und Science-Fiction sein möchte, jedoch unfreiwillig auch einen bunten Strauß Trashiges bietet.

In Stöckelschuhen über Abhänge staksend ist die vermeintliche Geheimagentin unterwegs und spürt einem Mann nach. Warum, weiß sie offenbar selbst nicht. Der Auftrag kam über ein futuristisch anmutendes Projektionsgerät. Bei ihrer Ermittlungsarbeit erleidet sie ein traumatisches Flashback, danach ist die nächsten Folgen erst mal nichts von ihr zu sehen. Natürlich steht sie die Erinnerung an das Schreckliche damit durch, nackt und mit verschmiertem Make-Up in der Dusche ihres Hotelzimmers zu kauern.

Die folgenden Episoden, von denen insgesamt vier auf dem 10. LICHTER Filmfest gezeigt worden sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: In der dritten Folge irrt ein verletzter Mann so gut wie nackt durch die Straßen Gießens, ein paar effekthascherische Horror-Visionen gibt es dazu als Beilage. In der vierten Episode wird der herumirrende Mann, dessen Name Viktor ist, von „den Bösen“ gejagt. Ein sehr schlechter Schütze verfehlt sein Opfer selbst aus nächster Nähe mehrere Male.
Vielleicht ist es ungerecht, das Projekt qualitativ zu bemängeln. Das Startkapital stammt aus privaten Geldern einer Gruppe von Freund_innen. Gestemmt ohne jegliche Fördergelder mag das Projekt interessant wirken, nur leider hapert es in der Serie auch an den Punkten, die nicht allein mit Geld bezahlt werden können: Der Geschichte und wie sie erzählt wird.

Wie das Format der Webserie am besten medienspezifisch genutzt werden kann, muss noch erforscht werden. Bei NUMBER OF SILENCE sind es bisher vier im Laufe mehrerer Jahre gedrehte Episoden, die theoretisch so auch im Fernsehen als Serie laufen könnten – es sei denn, man bemängelt, dass NUMBER OF SILENCE pro Folge dafür zu wenig klaren Inhalt liefert, um den Aufwand, jede Folge im Fernsehen abzupassen, einzugehen. Jetzt kann man argumentieren, dass gerade ein „Casual Viewing“ sich im Internet anbietet, jedoch bietet das Netz auch derart viele Zerstreuungen, dass ein Format wie NUMBER OF SILENCE schnell von seinen Zuschauer_innen vergessen werden kann und in den Tiefen des Internets unterzugehen droht.

Das Format der Webserie ist filmgeschichtlich betrachtet noch relativ jung, laut Wikipedia erschien die erste sogenannte „Webisode“ im Jahr 1995. Gut, dass Serien in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden sind und mittlerweile qualitativ auf Augenhöhe mit Filmen diskutiert werden. Nicht zu unterschätzen ist auch das Zusammenspiel des Ausbaus schneller Internetverbindungen, die das Schauen von Serienformaten über Stream oder Download erst ermöglichen.

Die Rolle von Festivals für derartige Projekte lässt sich gut an NUMBER OF SILENCE exemplifizieren. Durch Preise (stolze 19 Auszeichnungen und 70 Nominierungen sind es in diesem Fall bereits) und Screenings auf großer Leinwand wird die Aufmerksamkeit über einen anderen als nur den Online-Weg erhöht und erreicht so im Idealfall zukünftige Förderer oder erhält Preisgelder um den zukünftigen Verlauf des Projektes zu und letztlich sichern zu können. Eine dieser Chancen sieht Darstellerin Magdalena Kaim beim anschließenden Filmgespräch darin, die Serie erstmal „internationaler“ zu machen. Ob genau das der Serie gut tut, die ihren Charme für viele Zuschauer_innen daraus erhält, dass sie Gießen zeigt und nicht eben nach New York aussieht, bleibt fraglich.

von Thekla Stobbe

Gesehen beim LICHTER Filmfest Frankfurt International im Rahmen des regionalen Langfilmprogramms.
Die vier zuvor frei verfügbaren Episoden sind mittlerweile kennwortgeschützt, auf der Homepage von NUMBER OF SILENCE kann man sich allerdings in einen Newsletter eintragen um weitere Informationen zu bekommen.