Am 23. Mai 1934 wird auf einer Straße in Louisiana das Gangsterpärchen Bonnie Elizabeth Parker und Clyde Chestnut Barrow von mehreren automatischen Schusswaffen und Schrotflinten durchsiebt. 82 Jahre und drei Tage später stellt Florian Jochum den ersten eigenen Kurzfilm vor. Seine Bonnie heißt Mia, sein Clyde heißt Dean, und sein Louisiana ist das mittelhessische Gießen seine Heimat. Ein Roadtrip über Asphalt und Staub, über Mut und Verzagen, übers Abschließen und Neuanfangen, über Mercedes und Mustang … „Roads Ahead“ ist größtenteils ein Mordsspaß.

Unendlich viele Milkshakes wünscht sich der Möbelhaus-Leibeigene und erfolglose Gitarrist Dean für Mia. Die Tänzerin hat er soeben vor einem Stripclub bei einer Zigarette kennen- und mögen gelernt und mit seinem Song erfolgreich bezirzt. Beide sind ihr Leben satt. Sie müssen raus aus ihrem Mikrokosmos. Das tun, was bisher einfach noch nicht geklappt hat. Da trifft es sich gut, dass für Dean (Jascha Rust) und seine frisch aus den Fängen ihrer „Besitzer“ befreite Mia (Ina Paule Klink) ein alter, grauer Mercedes bereitsteht. Nach einem waschechten Handgemenge und abrupten Schusswaffengebrauch in Mias alter Wirkungsstätte fliehen die beiden in die ländliche Einöde. Vorbei an fleißigen Mähdreschern und sorgsam abgesteckten Grundstücken. Fenster runterkurbeln, Lungen mit Luft füllen, Musik auf Lautstärke 11, hochprozentiges Destillat stürzen, Freiheit genießen – Jochums Feelgood-Momente wirken. Immer untermalt mit reifer Rockmusik. „Spinning ’round a circle of love“, einer der vielen herrlich komponierten Songs, knallt mit einem Affenzahn ans Trommelfell. Hart wie eine Flasche Jacky auf Ex. Was man so macht, wenn man wenig zu verlieren und viel zu gewinnen hat.

Nach der kriminellen Stippvisite auf einem Bauernhof, bei der die Hausherren schon mal stammelnd vor den beiden Kleinstadtgangstern knien, erreichen die beiden sowohl einen See, als auch den vielleicht besten Moment des Films. Kameramann Anton Knoblach findet die passenden Bilder zu Jochums Inszenierung. Mias letzter Bruch mit sich selbst: Freimütig tauft sie sich im Wasser auf ihren eigentlichen Namen Carolin. Und langsam mag man rätseln, ob hier nicht ganz schön viel Persönliches Jochums drinsteckt. Ein Ausbruch, etwas wagen, sich entgegen allen Konventionen trauen, hoffen, scheitern, gewinnen. Sicher nicht die einzigen Eigenschaften der Generation mit dem vorletzten Buchstaben. Zumal der junge Filmemacher und Student der Uni Bayreuth nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch verfasst hat. Jenes verläuft größtenteils linear, überrascht dann aber glücklicherweise doch noch.

Die Dreharbeiten in und um Jochums Heimatstadt hätten sich, entgegen allen Befürchtungen über viele Menschen auf nicht viel Raum, absolut angenehm gestaltet. Ein Seminargebäude in Bad Endbach hielt dabei für das Drehteam her. 16 Drehtage und einige Anekdoten später war dann alles im Kasten. Man herzte und schätzte sich. Davon zeugen nicht nur die obligatorischen Outtakes nach dem Film, sondern auch das ansteckende wie erleichterte Dauerlächeln aller Beteiligten beim anschließenden Q&A vor der Leinwand.

Lächeln können „Mia“ und Dean auch noch. Da ist es auch nicht weiter tragisch, dass sich der Film manchmal nicht zwischen Überzeichnung und Ernsthaftigkeit entscheiden kann. Besonders, als die beiden ihr Glück in der großen Stadt suchen. Was folgt, ist Eskalation, Katharsis und Ungewissheit. Nein, ein grimmig röhrender Mustang ist das 25-minütige Roadmovie noch nicht. Das muss es als Abschlussarbeit aber auch nicht sein. Eher wie das erste eigene Auto. Etwas Besonderes, das man einfach mögen muss, an das man sich erinnert. Auch damit kann man gemütlich zum nächsten Filmfestival oder ins Abendrot fahren. Zumal der Himmel zum Ende schön cremig aussieht … Cremig wie ein Milkshake.

Martin Henkelmann

Gesehen im Kinocenter Gießen.