In die Weltpremiere von MÄNNERFREUNDSCHAFTEN habe ich mich mehr wie in ein Fest gestürzt, als dass ich mich auf ein Kinoerlebnis eingestellt hätte. Der Film hat mich erwartungsgemäß mitgenommen in eine krude Mischwelt aus Schauspiel-Workshop, Expert_innengespräch zwischen Geschichtsbüchern, Reenactment inklusive tintetriefe nder Federn, die sinnierend ans Kinn gehalten werden, nackten Männerkörpern …und immer wieder Schafherden. Zentral wird die Frage behandelt, ob Johann Wolfgang von Goethe und einige seiner Zeitgenossen, wie Friedrich Schiller oder Johann Wilhelm Ludwig Gleim, durch mehr als nur einen verliebten Freundschaftskult miteinander (oder anderen Männern) verbunden waren und auch Sex miteinander hatten. Dazu werden Gedichte, private Briefe, Theaterstücke und der Habitus aus der Zeit von ca. 1770 bis Mitte des 19. Jahrhunderts unter die Lupe genommen.

Im Grunde geht es natürlich um etwas ganz anderes, nämlich um die Frage: Was können wir uns überhaupt vorstellen? In unserer Sprache und unserem Denken ist die Rolle des erfolgreichen Mannes deutlich und eng definiert. Je maskuliner und heterosexueller, desto potenter. Dadurch ist es kaum möglich, den historischen Persönlichkeiten, die uns unser Leben lang begegnen, denen also ein hoher gesellschaftlicher Status zugeschrieben wird, anders einzuordnen als heterosexuell und weiß natürlich.

Also weiß war Goethe wohl, daran hat auch Rosa von Praunheim nicht gerüttelt. Alle anderen Eigenschaften hat er jedoch mit seiner glitzernden und verspielten Erzählart unterhaltsam aus den Gehirnen gewaschen, sodass ich von jetzt an zuerst an Flirts und weiße Plastikperücken denken werde, sobald mir der Name Goethe begegnet.

von Sarah Paar