Treibende Sounds zu psychedelischen Bildern. Dies sind die Schlagwörter, auf die man Michel Klöfkorns Kurzfilm reduzieren könnte, wollte man ihn zusammenfassen.

Wir finden uns in seinem knapp dreiminütigen Teaser zum übergreifenden Thema Wahrheit des 10. LICHTER Filmfestivals an einem gleichzeitig verwirrend ungewohnten und ebenso allgemein bekannten Ort im Herzen Frankfurts wieder. Die Laufzeit des Kurzfilmes stellt unsere gesamte Wahrnehmung auf den Kopf, indem es das filmische Formalparameter Perspektive durch das Spiel mit Bewegung in den Mittelpunkt stellt und Gewohntes ungewohnt inszeniert.

Wir befinden uns in der B-Ebene der Frankfurter Hauptwache, doch nichts was wir sehen, ist vergleichbar mit dem, was wir beim täglichen Weg durch die Bahnstation wahrnehmen. An einem Ort, an dem man es vielleicht am wenigstens erwartet, werden wir in eine Welt versetzt, die sehr weit von unserem täglichen Erleben entfernt ist. Intensive Leuchtkegel, bunte Neonlichter, Farbtupfer, organische Liegewiesen, zweispurige Straßen, kaltgrüne Baumstämme und abstrakte geometrische Bodenflächen begegnen uns in einer Welt, in der die Menschen den alltäglichen Zwängen entledigt und entgegengesetzt der gewohnten Richtung den Raum zu durchschreiten scheinen, wie auf einem dem Surrealismus entsprungenen Laufsteg. Rückwärts. Die Passanten wandeln über Kopf, als würden sie es immer tun und wissen gar nicht, dass sie damit gesellschaftliche Konventionen durchbrechen, die niemand ihnen vorgegeben hat.

Klöfkorn zeigt die Hauptwache in Zeit und Raum auf dem Kopf stehend. Alles, was normaler Weise unten ist, ist nun oben, vorne ist hinten, alles, was wir im Schritt voraus zur nächsten Station des Tagesrhythmus nahezu ausblenden und nur noch unterbewusst wahrnehmen steht plötzlich im Mittelpunkt, wird in ein neues Licht gerückt. Wir sind gezwungen, die Perspektive zu ändern und geben uns fasziniert etwas hin, was wir zum einen für irrelevant halten und zum anderen zur Genüge zu kennen meinen. Die Decke der Bahnstation Hauptwache. Eine Transferzone im öffentlichen Raum. Die Schönheit dieser ungewohnten Umgebung regt die Fantasie an, wirkt magisch, wie aus einem Buch. Unweigerlich kommt die Frage auf warum nur die Decke so bunt und gewagt designed ist.

Klöfkorn lenkt den Blick auf das Thema Konzeption von öffentlichem Raum. Wahrheit wird zum Thema im Kontext von Raumwahrnehmung und Gestaltung von Lebensrealitäten. Bunte Bilder öffnen den Raum für einen philosophischen Diskurs: Der öffentliche Raum ist keine absolute Wahrheit, er manifestiert sich im Spannungsfeld der Stadtplanung. Organisationsziele, Nutzungszwecke, Rechtsvorgaben, Zeitgeist und letztendlich individuelle Sinneswahrnehmung formen ihn. „Es ist wahr, es ist wahr, Es ist wahr“ schallt es im Text der musikalischen Untermalung von Super 8. Der energetische Beat hat eine nahezu alarmierende Wirkung.

Die räumliche Wahrheit, also die Konzeption des öffentlichen Raumes, und folglich ihre Bedeutung für die Formung von Gesellschaft wird in Frage gestellt. Am Ende morphen die Wörter: „Nazi, Nazi, Nazi“ ist das wiederholte Wort, das nun, fast heimlich, kaum verständlich, in die Ohren dringt. Ist die Wahrheit ein Nazi? Beansprucht sie das unleistbar Absolute für sich – und disqualifiziert sich so aus einem gemeinschaftlichen Diskurs?

von Julia Pirzer

FLUG 8/ ES IST WAHR ist Teil einer 10-teiligen Trailer-Aktion zum Thema „Wahrheit“, initiiert vom LICHTER Filmfest Frankfurt International zu dessen 10-jährigem Bestehen. Den Film können Sie kostenlos unter dem Titel Wahrheit #3 auf Vimeo sehen:
https://vimeo.com/208438898.