Am Ende des Films kollabiert die verschneite Landschaft des provinziellen kommunistischen Polens in einem Sumpf aus Wodka, billigen Zigaretten und Korruption. Der einzige Mann, der Edward Snordens Unschuld hätte beweisen können, liegt tot im Schnee. Edward rennt um sein Leben, während die restlichen Figuren in der verschneiten Landschaft untergehen. Die Option auf Hoffnung hat es für Edward allerdings schon lange nicht mehr gegeben. Kinderlos stirbt zu Beginn des Films seine Frau überraschend an einem Hirnschlag. Edward versinkt im Alkohol und flieht als Farmtechniker in die Provinz, wo sein eigentliches Unglück erst beginnt. Die Bilder der weißen Einöde, das Blut im Schnee und das Gemisch der Charaktere aus korrupten Polizisten, Alkoholikern und kaltblütigen Mördern scheint keine zufällige Anspielung auf FARGO der Cohen-Brüder. Doch das Setting des kommunistischen Zerfalls und des in Polen ausgerufenen Kriegsrechts gräbt tiefer, als es in der amerikanischen Landschaft jemals möglich gewesen wäre.

Auf seinem Weg zum neuen Arbeitsort strandet Edward während eines Sturms bei den Dziabas, einem Ehepaar mit bedeutendem Altersunterschied. Die anfängliche Skepsis aller Beteiligten weicht mit jedem Glas Wodka mehr und mehr einem freundschaftlichen Verhältnis, und so entscheidet Edward, die Nacht bei den Dziabas zu verbringen. Der parallele Erzählstrang spielt vier Jahre später. Das kommunistische Polen steht mittlerweile vor dem Zerfall. Das Kriegsrecht wurde ausgerufen, um die nach Freiheit sehnende Bevölkerung unter Druck zu setzen und politische Gegner schnell zu beseitigen. Inmitten dieser Umstände versucht Leutnant Mroz, den dreifachen Mord, der sich in Edwards Ankunftsnacht ereignete, aufzuklären. Behindert wird er dabei von seinen Vorgesetzten, die befürchten, dass mit der Aufklärung des Verbrechens auch unbequeme Wahrheiten ans Licht kommen könnten.

Wojciech Smarzowskis Kriminalfilm ist ein pointiertes Porträt der polnischen Gesellschaft der Achtzigerjahre. Das Haus der Dziabas entpuppt sich wahrlich als eines, in dem das Böse auch noch lange nach den grausamen Verbrechen herrscht. Die verwinkelten und heruntergekommenen Zimmer werden als Ort des Misstrauens und der Paranoia inszeniert. Die wackeligen Aufnahmen der schwarzweißen Amateurkamera der Polizei und die wahnhaften Einsätze der Tonspur machen THE DARK HOUSE zu einer furchterregenden Erfahrung. In Smarzowskis Welt verrät ein jeder jeden, dabei ist vollkommen egal, ob für einen ausländischen Pass, eine Beförderung oder bloß eine Tüte voll Zigaretten.

Dabei bleibt der Film stark politisch und fünf Jahre nach seinem Erscheinen aktueller denn je. Während in Polen die Demokratie langsam den Bach heruntergeht, wird der Film zu einer Parabel über die aktuelle politische Diskussion des Landes. Das unschuldige und verwirrte Gesicht Edwards, der bald schon ahnt, dass sein Ortswechsel nicht die erhoffte Flucht, sondern sein Untergang sein wird, steht dabei exemplarisch für die Situation der polnischen Bevölkerung heute genauso wie schon vor dreißig Jahren. Ähnlich wie in seinem Spielfilmdebüt THE WEDDING schafft es Smarzowski, gesellschaftliche Tendenzen mit persönlichen Schicksalen in einer Art Kammerspiel auf kleinstem Raum zu verflechten. Am Ende des Films regieren Chaos und Hoffnungslosigkeit. Der Schnee ist blutüberströmt, Menschenleben versoffen. Aber immerhin kommt auch ein Kind zur Welt. Die Frage, ob es unter besseren Umständen aufwachsen wird, erübrigt sich allerdings.

Olga Galicka

THE DARK HOUSE lief beim goEast Film Festival 2016 im Symposium.