Am Abend des Vaterstags lief im Rahmen der Nippon Connection der Experimentalfilm „Memento Stella“ von Takashi Makino in seiner Deutschlandpremiere im Filmmuseum Frankfurt am Main. Als ein „Special Screening“. Und speziell war es bestimmt auch für einige Zuschauer (wenn wir dem Klang des Stöhnens und Seufzens am Anfang folgen), denn als ungeübter Betrachter von experimentellen Filmen muss sich das Auge erst einmal an die ungewohnte Ästhetik gewöhnen, um danach zu erkennen: es wird keine 0815-Geschichte kommen.

Tasashi Makino ist momentan einer der bekanntesten Experimentalfilmer Japans und mit Ausstellungen und Auszeichnungen in Rotterdam, New York, Wien und vielen anderen Städten vertreten. Nach über 40 Kurzfilmen ist dies sein erster Langfilm. 2015 war aufgrund der Terroranschläge in Paris eine sehr angstvolle Zeit für ihn, so erzählt er schon, bevor der Film überhaupt begonnen hat: zwei seiner Freunde sind gestorben und er wollte sich danach wieder neu mit der Welt verbinden. Alle Religionen sowie Grenzen sollten sich auflösen, alles zu einer neuen Einheit verschmelzen. Bei dem Titel hat er sich an Memento Mori orientiert, also statt die Erinnerung an den Tod: die Erinnerung an den Stern. Wir leben alle auf dem gleichen, aber jeder hat eine unterschiedliche Vorstellung davon, was passieren wird und was passieren soll. Die Arbeiten sollen so zu einer Kooperation zwischen der Vorstellungskraft des Zuschauers und der Leinwand werden.

Während seiner Überlegungen war er in großen Tropfsteinhöhlen unterwegs und hat dort gefilmt und fotografiert. Über 500 Aufnahmen sind allein hier entstanden: Wasserreflexionen, dazwischen Lichtpunkte von Sonnenstrahlen: vieles wurde im Negativ verwendet. Er betont, dass er für seine Filme den „State of the Art“, also den aktuellen Entwicklungsstand der Technologie in Bezug auf die Kunst, verwendet: alle seine Filme und Fotografien sind in 4K, auch wenn sie durch den „Noise“-Effekt am Ende nicht mehr so wirken. Bis zu 400 Ebenen liegen verzerrt und abstrahiert übereinander: ein dauerhaftes Flimmern und Rauschen, mit unterschiedlichen Einstellungen und Farbgebungen, die unterschiedliche Gefühle erwecken sollen.

Man muss immer wieder kleine Bereiche auf der Leinwand fixieren, damit das Auge nicht überfordert ist von der gewaltigen Bilderflut, die auf einen einprasselt. Es kann passieren, dass man in den vielen kleinen Gegebenheiten gedanklich abschweift und überhaupt nichts mehr zu sehen vermag. Auch vage Aufnahmen von Städten und Menschen sind dabei. Aber es soll keine Zuordnung einer schon bekannten Realität erfolgen. Hin und wieder glaubt man etwas Vertrautes zu sehen: ein Gesicht? Einen Baum? Ein Hochhaus? So schnell wechseln die Bilder, dass man es am Ende nicht zu sagen vermag, ob man es richtig erkannt hat. Aber verborgen hinter der scheinbaren Unendlichkeit von dieser selbst erschaffenen Galaxie liegt etwas Bekanntes und Beruhigendes. Etwas für jede Kultur Ansprechendes. Die atmosphärische Musikuntermalung trägt ihr Übriges dazu bei, dass der Zuschauer, der gewillt ist, ganz darin versinken kann. Sie stammt von dem Pianisten Reinier van Houdt und schwingt weich bzw. bebt bedrohlich an genau den richtigen Stellen, um die Bildgewalt zu unterstützen und noch mehr zu bewegen.

Takashi Makino hat viele Vertonungen auch schon selbst gefertigt – bei Ausstellung inszeniert er auch gern mal eine Live-Vertonung – aber in diesem Fall wollte er wieder eng mit einem Musiker zusammenarbeiten, erzählt er bei der offenen Fragerunde. Und dass, unter anderem, seine Galerie, die Empty Gallery in Hong Kong, den Film mitfinanziert hat: vor allem bei dem aufwendigen Editieren war sie eine große Unterstützung. Lächelnd erzählt er, dass sie mehrere Monate allein nur die Sequenzen überlagert und bearbeitet haben. Die Geheimnisse seiner Bildbearbeitung, die keine Geheimnisse mehr sind: schon lange unterrichtet er und leitet Workshops, in denen er seine Ästhetik weitervermittelt. Er freut sich über die Bewegungen und wenn man seine Filme anschaut und dann auch nur in einem Moment etwas empfindet. Direkt nach der Deutchlandpremiere im Filmmuseum geht es für Takashi Makino weiter nach Spanien und danach noch auf zehn weitere Festivals. Viel Erfolg und auf baldiges Wiedersehen in einer fernen Galaxie.

„MEMENTO STELLA“

Regisseur: Takashi Makino

Produktion: Empty Gallery

Sound Design: Reinier Van Houdt

Japan 2018, 60 Minuten