Es ist kalt, grau und regnerisch. Ein Wetter, bei dem man gerne den ganzen Tag im Bett verbringen würde. Die drei Frauen aus Alexandra Balteanus Film VANATOARE tun dies irgendwie auch, aber auf eine andere Weise, und sie tun dies eher in Autos, auf einsamen Rastplätzen, in wenig erbaulicher Gesellschaft. Danach heißt es wieder raus auf die Straße. Stehen, warten, frieren, bis der nächste Freier kommt und sich die Angebote der Sexarbeiterinnen am Autobahnzubringer einholt.

„Vânătoare“ heißt übersetzt so viel wie Jagd. Ein treffender Titel für diesen nüchternen Film, in dem die drei Frauen Lidia, Denisa und Vanessa täglich auf der Jagd nach Männern sind, die ihnen ihre von Armut und Verantwortung gezeichnete Existenz ermöglichen. Oder sind die Frauen in Wirklichkeit die Gejagten, die vor ihrer scheinbar unausweichlichen Niederlage davonrennen und versuchen, nicht von der Härte der Realität niedergestreckt zu werden? Sie nehmen ihr Schicksal stoisch hin und halten zusammen, auch wenn Lidia und Denisa die jüngere Vanessa manchmal wegen ihrer vermeintlichen Naivität und ihrer Träumereien belächeln. So erfahren wir zum Beispiel im Laufe des Films, dass Vanessa eine Anzeige aufgegeben hat, in der sie einen Mann zum Zusammenleben sucht, einen der aber auf jeden Fall grüne Augen haben muss.

Mit alltäglicher Routine ziehen sich Lidia und Denisa morgens unter der Brücke um, benutzen das Gebüsch daneben als Toilette, wie Schauspielerinnen in ihrer Garderobe vor dem großen Auftritt: einprägsame Bilder die im Gedächtnis bleiben. Mittags machen die beiden Freundinnen eine Pause und teilen ihr Essen und ihre Probleme miteinander: normaler Arbeitsalltag zwischen grauen Betonbrückenpfeilern, vorbeiziehenden LKWs und Straßenhunden an einem Autobahnzubringer in Bukarest. Lidia geht leicht humpelnd über die Gleise, die unstete Kamera passt sich ihrem Schritt an und schwankt leicht mit. Immer wieder wirken die Bilder in Alexandra Balteanus Spielfilm dokumentarisch. Der Film wurde beim Max Ophüls-Preis u.a. für seine Glaubwürdigkeit ausgezeichnet was nur allzu verständlich erscheint.

Die Frauen lassen sich selbst von der Polizei nicht unterkriegen, die ihre Macht ausspielt und sie demütigt.„Every profession has its risks“, heißt es da einmal von Seiten der Polizisten im Film. Es muss immer weitergehen, etwas anderes bleibt den Frauen auch kaum übrig. Der Film inszeniert ihre Schicksale kühl, grau und still. In den Autos wird nicht viel gesagt, diese Situationen bedürfen nicht vieler Worte. Wenn sich einmal Gespräche entwickeln, scheinen diese sich nur im Kreis zu drehen. Musikalische Untermalung findet sich kaum, lediglich drei Stücke, deren Titel jeweils einem der Frauennamen entspricht, sind im Film zu hören; darüber hinaus ertönt manchmal lediglich die Spielautomatenmusik in der Spelunke, in die sich Vanessa immer wieder zurückzieht. Die männlichen Figuren erweisen sich als janusköpfig. Zum einen sind sie machthungrig, arrogant, überheblich, auf der anderen Seite zeigen sie sich als liebende Väter und Retter in der Not, die wissen, wie man halb erfrorene Frauen mit Eiscreme tröstet, bevor diese zu ihrer Brücke zurückkehren. VANATOARE ist ein generell nüchterner Film, der aber nicht nur die hoffnungslose Situation der Frauen darstellt, sondern auch ihre Stärke und ihren Zusammenhalt deutlich macht .

Gesehen beim LICHTER Filmfest Frankfurt International in der neuen Reihe „Zukunft deutscher Film“.