In einer Tischtennishalle in Belgrad erliegt ein Mann einem tödlichen Herzinfarkt. Seine Mitspieler versuchen ihn vergeblich wieder zu beleben. Der Krankenwagen, der sofort gerufen wird lässt ca. eine halbe Stunde auf sich warten. Er hätte im Stau gestanden, heißt es später. Während die betroffene Gruppe von Freunden auf die Experten warten, um den Tod bestätigt zu wissen, ertönt erneut das Geräusch von Tischtennisbällen, die hin und her geschlagen werden. Man bezahlt in dieser Halle schließlich nach Zeit. Und wenn da jemand stirbt, heißt das nicht, dass die Uhren nicht mehr ticken. Diese Geschichte, die sich wahrhaftig zugetragen hat, war Miroslav Momčilovićs Inspiration zu seinem Film „Death of a Man in the Balkans“. Ein Film, der nicht vom Warten auf den Tod handelt, wie so viele andere. Sondern vom Warten danach.

Nachdem sich der alleinstehende Komponist und Musiker in seiner schlicht, doch geschmackvoll eingerichteten Wohnung in Belgrad vor laufender Webcam mit einem Schuss das Leben nimmt, wird seine Wohnung zum Wartezimmer. Ohne dass irgendjemand bemerkt, dass die Kamera in der Ecke erbarmungslos weiter film, nimmt Momčilovićs Komödie ihren Lauf.Aus nur dieser einen Einstellung gefilmt, und mit lediglich acht Schnitten, die geschickt versteckt wurden, wirkt Momčilovićs Film wie eine Plansequenz, die seine Zuschauerschaft zu Voyeuren macht. Scheinbar unbemerkt bekommt man Einblick in die Wohnung eines Mannes, der nicht irgendwo, sondern hier zuhause, in Belgrad, in Serbien, beschließt zu sterben.

Die Nachbarn Aca (Emir Hadžihafizbegovi) und Vesko (Radoslav Milenković) betreten die Wohnung neugierig und schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, als sie verstehen was passiert ist. Aca trägt ein fleckiges T-Shirt von Kawasaki. Vesko grüne Shorts von Adidas. Bis die Polizei und der Krankenwagen kommen, wird sich die Zeit vertrieben. Mit Schach spielen, Schnaps, Essen und Diskussionen über Holz, Frauen und Belgrad. Die Stadt „in der die Menschen feindselig sind“, in diesem Land in dem „sich niemand was aus Künstlern macht“. Es ist also kein Wunder, dass derjenige, der da off-screen irgendwo rechts unterhalb des Bildes liegt, keine Lust mehr hatte. Aber hätte er nicht in den Park gehen können? Durch einen Suizid verliert doch jetzt das ganze Haus an Wert. Doch des einen Leid ist des anderen Geld, oder wie das Sprichwort sonst heißt. Noch vor der Polizei, kommen Immobilienmakler und Bestattungsunternehmer in die Wohnung. „Eine Schande ist das!“ schimpfen die beiden Nachbarn über den jungen Vertreter, der ihnen einen Katalog mit Särgen aller bester Qualität hinhält. Währenddessen teilen sie nicht nur den Schnaps, sondern auch die Hochglanz-Werkzeugkiste des Verstorbenen zwischen sich auf. „Er wollte sie mir sowieso schenken.“ beteuert Aca. „Damals, als ich hier in der ganzen Bude das Parkett gelegt habe. Verdammt gutes Holz, fühl‘ mal!“

Was hier manchmal nach einem gar nicht so abwegigen Gesellschaftsporträt aussieht, schlägt immer wieder um in völlige Selbstironie. Momčilovićs Film geizt vor allem mit einem nicht: Galgenhumor. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wer sich jemals in der Situation gesehen hat pragmatisch und ehrfürchtig zugleich auf den Tod eines anderen reagieren zu müssen, weiß um die Absurdität dieses Umstandes. Momčilović traut sich eben das zum Gegenstand seines Films zu machen, was in fast allen Filmen erfolgreich verschwiegen wird. Die Zeit unmittelbar nach dem Sterben. Es muss schließlich eine Menge passieren, bevor auf einer genau dafür inszenierten Beerdigung erhaben getrauert werden kann. Das Leben geht nun mal weiter. Und das ist überall so. Nicht nur im Balkan. Trotzdem sind die Stereotypen, die bei Momčilović so echt wirken, wie Zuckerguss auf einem ohnehin köstlichen Kammerspiel.