[1] Der Ordnung zum Trotz

In dieser Welt hat alles seinen Platz. Die Dinge stehen im rechten Winkel zueinander, Menschen kommen erwachsen zur Welt und werden auf ihre Nützlichkeit hin untersucht. Wenn der Strommast umzukippen droht, kommt ein Vogel geflogen, der sich zur Stabilisation auf die leichtere Seite setzt. In nahezu meditativen Wiederholungen lernen wir eine immergleiche, farblich entsättigte Max-Mustermann-Stadt kennen. Doch was, wenn es doch einmal anders kommt? Ein Schrei, ein Schuss, und schon ist die fragile Ordnung im Begriff einzustürzen. Chaos, Streit und Tod erwachsen aus der kleinsten Veränderung – und sind ebenso schnell wieder vergessen – denn die Gewohnheit ist stärker. Zwei einsamen Seelen gelingt die Flucht auf dem Moped. Übrig bleibt die graue Masse der Gesichtslosen. Denn leider überfahren sie dabei die einzigen beiden Andersartigen. Und so nimmt die Routine wieder ihren Lauf, der Film schließt ab, wie er begann: eine wartende Gruppe gelangweilter Männer. Absurd ist hier das Normale.

Max Schäffer



[2] Alles ist gleich

A DEMONSTRATION OF BRILLIANCE IN FOUR ACTS ergründet die Dynamik einer vermeintlich perfekten, an der Idee des Gleichmaß ausgerichteten Gesellschaft. Die Lebensfeindlichkeit von gleichmachenden Diktaturen wird hier als Porträt einer abstrusen Disziplinargemeinschaft durchdekliniert, die es sich zur kollektiven Aufgabe macht den Zufall und das „Andersartige“ zu eliminieren. In einer so gearteten sozialen Umwelt, die sich einzig am Ideal der Konfektionierung auszurichten scheint, und alle Form der Unangepasstheit aus ihrer Realität zu tilgen sucht, kann den vermeintlichen Systemabweichlern – den Individualisten also – bestenfalls noch der Status unterhaltsamer Kuriositäten angedeihen. Hinter den auf den ersten Blick harmlos und naiv wirkenden Illustrationen entblättert sich damit das Gesicht einer faschistischen Gesellschaft par excellence – eine Gesellschaft, die Jagd auf das „Fremdartige“ macht und damit jede Form von Diversität nivelliert.
Bei aller Gesellschaftskritik bleibt der Ansatz von A DEMONSTRATION OF BRILLIANCE IN FOUR ACTS kindlich verspielt. Der nostalgische cartoonhafte Look und einige Slapstick-Momente verfehlen allerdings nicht ihren komischen Effekt.

Rachel Phillip

 

A DEMONSTRATION OF BRILLIANCE IN FOUR ACTS
(BRILJANTSUSE DEMONSTRATSIOON NELJAS VAATUSES)
Morten Tšinakov, Lucija Mrzljak
Estland, Kroatien 2018
18 Min

A DEMONSTRATION OF BRILLIANCE IN FOUR ACTS läuft als Teil der “Anarcho Shorts” beim 19. goEast Filmfestival des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden.

Termine:
Sonntag, 14.04.2019, 16:30 Uhr, Festivalzentrum