“But who am I to say I or we? Am I really Nothing or just my ego’s mercenary?”, grübelt das Nichts zu Beginn von Boris Mitićs ungewöhnlichem Feelgood-Dokumentarfilm IN PRAISE OF NOTHING und stellt dann über 78 Minuten lang alles in Frage.

Inspiriert von Erasmus von Rotterdams Satire In Praise of Folly (1513) verleiht Mitić über 500 Jahre später dem Nichts eine Stimme. Und zwar die melancholisch angehauchte Stimme von Punk-Rock-Legende Iggy Pop. Was als Scherz anfing, verwandelte sich in ein achtjähriges Großprojekt, fundiert in einer über 20.000-seitigen Bibliographie mit Schriften von u. a. John Cage (Silence, 1961) und Derek Jarman (Chroma, 1994) sowie Zitaten über das Nichts von Virginia Woolf bis Eminem. Insgesamt 62 Filmschaffende beauftragte Mitić damit, das Nichts in ihren Bildern einzufangen – von Amateurfilmer_innen bis hin zu etablierten Kameraexpert_innen. Eine anonymisierte Online-Plattform ermöglichte allen Beteiligten dabei den interaktiven Ideenaustausch über die in 70 verschiedenen Ländern gefilmten, dokumentarischen Aufnahmen. Durchdachte Bildkompositionen zeigen sowohl die beklemmende Tragik der Umweltverschmutzung als auch die sanfte Schönheit der Banalität. Mal aus der Vogelperspektive, mal im schrägen Winkel, aber immer mit einer sich durch den Film ziehenden Besonnenheit, fokussieren die Aufnahmen auf Nebensächliches: pastellfarbene Naturlandschaften, nostalgische Stadtportraits, hypnotisierende Gewässer, einen leeren Bus, ein totes Känguru am Straßenrand. Alltagsbilder der Langeweile, die manch eine_r dank pausenloser Selbstoptimierungslogik seit Kindertagen nicht mehr verspürt hat.

Zwischentitel im Stil der Stummfilmära geben beschreibende Hinweise zur Handlung und bilden somit eine grobe Struktur für die subtilen Beobachtungen. In klugen Erkenntnissen oder belanglosen Plattitüden sinniert das personifizierte Nichts in Reimform über Glaube, Liebe, Hoffnung und taktische Pausen beim Geschlechtsverkehr. Es kritisiert, appelliert und kommentiert die Bilder mit sarkastischem Unterton, so dass ein scharfsinniger Dialog zwischen Gesehenem und Gesprochenem entsteht. Das Voiceover spricht in radikal satirischen Wortspielen, die an Plakate von Die PARTEI erinnern, und überspitzt vagen Aussagen, die aus Trumps Twitter Feed stammen könnten, wenn er einer kommunistischen Partei angehören würde. Musikalisch wird der Monolog von der makaber-komödiantischen Band The Tiger Lillies und den rhythmusbetonten Instrumentalklängen von Pascal Comelade begleitet.

Explizit oder abstrakt versteckt sich das Nichts in poetischen Impressionen, rüttelt an moralischen Grundvorstellungen und nimmt sich dabei selbst nicht zu ernst. Nichts wird hörbar, sichtbar, fühlbar. In kritischer Auseinandersetzung mit dem Begriff der Information und somit auch dem Genre des Dokumentarfilms, flirtet das Nichts mit der Kontingenz und fordert provokativ zum Duell in den Fußnoten heraus. Touché.

von Vivien Cahn